so Ernst Ludwig Kirchner in einem Brief an den Sammler-Freund Carl Hegemann, Anfang Juli 1917.

Ungeachtet der inneren Zerrissenheit des Künstlers, die Kurator Dr. Felix Krämer gleich im ersten Raum durch eine beachtlichen Aufreihung von wenig schmeichelhaften Selbstportraits deutlich macht, lässt sich das Leben Kirchners in überschaubare Stationen teilen, meist bedingt durch Ortswechsel. Die restlichen, chronologisch gehängten Werke erzählen von einer bewegten Biographie, offenbaren Bilder von Deutschland, die stellenweise verblüffend aktuell scheinen und fokussieren immer wieder von (nackten) Frauen.
1905 gründete der 25jährige Student in Dresden zusammen mit Kommilitonen vom Architekturstudium die Künstlervereinigung die Brücke, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Wesentliche der Dinge

Im goldenen Berlin, in das es den Maler 1911 mit großen Hoffnungen zog, werden die Kokotten auf den Straßen zum Ausdruck der Großstadt („Zwei Frauen auf der Straße“, 1914). Die krassen und harten Farbkontraste, die seinen expressionistischen Stil zumeist charakterisieren, sind hier entkräftet, es wirken deutlicher die klar konturierten Formen. Die spitzen und unnahbaren Gestalten der Prostituierten, mit ihrer auffälligen Mode, die sie für die Feier erkennbar machte, ragen empor wie Monumente, füllen die Wege dicht gedrängt, beäugt von unerbitterlich dreinschauenden Herren. Auch der Blickkontakt zwischen den Geschlechtern erzählt nichts von Leidenschaft, vom bald statt findenden Sex lässt Kirchner die Betrachter seiner Bilder nichts erahnen.
„Studierte Weiber sind immer unglücklich.“ Tagebuch, 17. Juli 1919
Nach psychisch

Aus Angst vor dem Einfall der Wehrmacht in die Schweiz und Schmerz über die Diffamierung seiner Werke in der Nazi-Hetz-Kampagnen-Ausstellung „Entartete Kunst“ beendete Ernst Ludwig Kirchner am 15. Juli 1938 sein Leben durch zwei Schüsse ins Herz. Zu chaotisch, zu negativ, zu krank schildere er die Welt, das passte nicht in die Reichspropaganda. So bleibt zu spekulieren, ob er noch einmal wirklichen Frieden mit seinen Modellen geschlossen oder ihnen noch deutlicher partnerschaftliche Positionen zugewiesen hätte wie seiner Gefährtin Erna Schilling in so manchem Doppelportrait.
Da das Städel dem Maler bereits seit 1925 verpflichtet ist, überrascht diese erste große Retrospektive seit 30 Jahren kaum - doch die Direktheit mit der die Ausstellungskonzeption beinahe unangenehm nah an diese ambivalente Künstlerpersönlichkeit heranführte schon. Zahlreiche, sehr privat anmutende Zitate Kirchners im Eingangsbereich, die Briefe und Tagebücher zitieren, kennzeichnen auch den Tonfall des Künstlers als weniger charmant eher hart und bisweilen bitter, das ist schon gar nicht sexy. So bleibt auch eine mögliche Anziehungskraft seiner Person für den Ausstellungsgänger verborgen.
Ernst Ludwig Kirchner – Retrospektive noch bis zum 25. Juli 2010 in Frankfurt am Main, Städel Museum