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Dienstag, 22. Juni 2010

Fundstück #7: Der kleine Grüne bumst die Zitrone

Schon mal diese Verpackung genau betrachtet?!

Fundort: jeder Supermarkt

P.S. Dieser Post ist nicht lustfeindlich gemeint!

Samstag, 12. Juni 2010

Fundstück #5: work, play, sleep


Das Motto zur Fußballweltmeisterschaft?

Fundort: Hauswand, München

Freitag, 11. Juni 2010

Frau Schneider ist tot – kurzes Gedenken an Andreas Kunze

Andreas Kunze – Fotograf, Kabarettist und Schauspieler - verstarb am 8.6.2010. Schuld war das Herz. Eben jenes Herz, mit dem er sich vor allem mutig den (filmischen) Raum neben dem magnetischen Multitalent Helge Schneider erkämpft hatte. Seit dessen Debüt in JOHNNY FLASH ergänzten sich die Ruhrpott-Künstler: Helge Schneider, der Macher, der Musiker, der fiese Sonderling oder die verbissene Spürnase. Andreas Kunze nicht bloß als Sidekick, sondern als emanzipierter Gegenpart, u.a. mit Auftritten als Johnnys Mutter (JOHNNY FLASH), Docs Mutter (TEXAS – DOC SNYDER HÄLT DIE WELT IN ATEM), Frau Schneider (00 SCHNEIDER – JAGD AUF NIHIL BAXTER), Tante Uschi (PRAXIS DR. HASENBEIN) und Theodor (JAZZCLUB – DER FRÜHE VOGEL FÄNGT DEN WURM).

Problemlos konnte Kunze im Mehrfachbesetzungsreigen der Schneiderfilme mit dem tausendgesichtigen Chamäleon Schritt halten und das am eindrücklichsten in seinen Frauenrollen. Ewiges Nörgeln, Spaßbremsentum und niemals modisch gewesenes Outfit - Was als Demütigung missverstanden werden könnte, füllte der Darsteller trotz Klamauk und Überzogenheit mit eigentümlicher Würde. Groteske Poesie liegt in Szenen wie dem beschwingten Aufhängen der Wäsche, dem leichten Lustwandeln durch den eigenen Garten oder der Gymnastiksession an der Stange in 00 SCHNEIDER. Trotz der Ehequerellen ist Frau Schneider patent, mit Ordnungssinn und Gastgeberqualitäten. Ihr Atombusen, der den blauen Rolli ausbeult, und die langen Beine unter dem violetten Faltenrock verraten noch etwas vom vergangenen, jugendlichen Charme.

Kunzes Leibesfülle verlieh seinem Körper Präsenz, ohne jedoch aufdringlich zu werden, seine Beweglichkeit gab den Rollen Flexibilität. Gerade ohne Drag-Maskerade, Makeup und Hüftschwung im Onkel-Charlies-Tante-Style überzeugte der Mime, lies keinen Moment daran zweifeln, dass er hier einen Frauenpart ausfüllt – besser als es im queren Schneider-Kosmos eine Darstellerin je gekonnt hätte. Trotzig und unverwüstlich.

Herzlichen Dank und eine ehrlich gemeinte Verbeugung, Herr Kunze, für das Vertrauen in die absurden Qualitäten der Spießer-Tristesse und die außergewöhnlichsten Grand Dames im nordrheinwestfälischen Autorenkino.

Montag, 7. Juni 2010

Fundstück #4: Magisches Baby Kartöfelchen

Fundort: Kindertherapeutische Praxis. Alsfeld, Hessen


Auf der Suche nach dem Sex im Expressionismus

„Stoff habe ich genug und übergenug, aber der dumme Kopf und die Energie fehlen,“
so Ernst Ludwig Kirchner in einem Brief an den Sammler-Freund Carl Hegemann, Anfang Juli 1917.

An einem heißen Sonntag verspricht das Städel mit seiner Ernst Ludwig Kirchner Retrospektive eine umfassende Ausstellung von 180 Werken des deutschen Expressionisten, hauptsächlich Gemälde, ein paar Drucke, Grafiken, Zeichnungen und wenige Skulpturen. Und das Haus am Frankfurter Museumsufer verspricht trotz der Aktgemälde auch Abkühlung. Eine Erfrischung im künstlerischen Ambiente suchten jedoch nur wenige, weshalb die Besucher an diesem Nachmittag ebenso ungestört durch die Räume schlendern konnten, wie die Einmannputzkolonne ihren Wischmop ungerührt vor sich herschiebend schon mal klar Schiff machte.

Ungeachtet der inneren Zerrissenheit des Künstlers, die Kurator Dr. Felix Krämer gleich im ersten Raum durch eine beachtlichen Aufreihung von wenig schmeichelhaften Selbstportraits deutlich macht, lässt sich das Leben Kirchners in überschaubare Stationen teilen, meist bedingt durch Ortswechsel. Die restlichen, chronologisch gehängten Werke erzählen von einer bewegten Biographie, offenbaren Bilder von Deutschland, die stellenweise verblüffend aktuell scheinen und fokussieren immer wieder von (nackten) Frauen.

1905 gründete der 25jährige Student in Dresden zusammen mit Kommilitonen vom Architekturstudium die Künstlervereinigung die Brücke, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Wesentliche der Dinge künstlerisch zu erfassen. Wesentlich ist schon hier vor allem der weibliche Akt, der Kirchners Werk durchgängig prägt. Viel nackte Haut doch erstaunlich wenig Erotik. Egal ob statisch in traditionellen Kunstposen oder in Bewegung, in der ganzen Ausstellung finden sich nur sehr wenige Darstellungen von Frauen mit sexueller Strahlkraft. Wesentlich, so ist es zu vermuten, sind wohl nicht Schönheit, individuelle Sexualität oder Liebeskraft. Nicht der naiv-verzückte Blick des Liebhabers betrachtet die Modelle, trotz der sexuellen Beziehungen die der Künstler zu den Damen führte, sondern eher die Ansicht eines Kritikers mit prüfender Brille oder sogar die eines erbitterten Antagonisten. Verstörend aber unter einem sensationalistischen Aspekt wieder spannend: der Hinweis auf die Mädchenakte („Marcella“, 1909-10), deren Musen z.T. bereits mit 8 Jahren in den Künstlerkreis eingeführt wurden. Hier möchte man dann aus Selbstschutz lieber kein allzu großes erotisches Moment hineinlesen.

Im goldenen Berlin, in das es den Maler 1911 mit großen Hoffnungen zog, werden die Kokotten auf den Straßen zum Ausdruck der Großstadt („Zwei Frauen auf der Straße“, 1914). Die krassen und harten Farbkontraste, die seinen expressionistischen Stil zumeist charakterisieren, sind hier entkräftet, es wirken deutlicher die klar konturierten Formen. Die spitzen und unnahbaren Gestalten der Prostituierten, mit ihrer auffälligen Mode, die sie für die Feier erkennbar machte, ragen empor wie Monumente, füllen die Wege dicht gedrängt, beäugt von unerbitterlich dreinschauenden Herren. Auch der Blickkontakt zwischen den Geschlechtern erzählt nichts von Leidenschaft, vom bald statt findenden Sex lässt Kirchner die Betrachter seiner Bilder nichts erahnen.

„Studierte Weiber sind immer unglücklich.“ Tagebuch, 17. Juli 1919

Nach psychischen Zusammenbrüchen in Kriegszeiten, mehrmaligen Sanatoriumsaufenthalten und einem Umzug nach Davos wo ländliche Szenen dominieren, widmet sich Kirchner mit seinem „neuem Stil“ wieder stark den Figuren. Skeptisch wird diese letzte Schaffensphase von der Kunstkritik aufgenommen, aufgrund der als wenig originell empfundenen Nähe zu Picasso und den zur Zeit modischen Tendenzen zur Abstraktion. Doch hier bietet die Frankfurter Ausstellung wenig beachtete Bilder, die doch durch die zunehmende Flächigkeit eine ganz eigene Farbwirkung erzielen und auch das Bild der Frau neu positionieren. Gemälde wie „Nachtfrau“ (1928-29) und „Blonde Frau in rotem Kleid; Bildnis Frau Hembus“ (1932) können als Zeugnisse von Selbstbestimmung und buntem Leben dienen. Nach den schutzlosen Nackten und den käuflichen aber unnahbaren Damen der Straße lässt der Künstler Individualität und sympathische Stärke einfließen. Nur schlafen will man mit ihnen nicht.

Aus Angst vor dem Einfall der Wehrmacht in die Schweiz und Schmerz über die Diffamierung seiner Werke in der Nazi-Hetz-Kampagnen-Ausstellung „Entartete Kunst“ beendete Ernst Ludwig Kirchner am 15. Juli 1938 sein Leben durch zwei Schüsse ins Herz. Zu chaotisch, zu negativ, zu krank schildere er die Welt, das passte nicht in die Reichspropaganda. So bleibt zu spekulieren, ob er noch einmal wirklichen Frieden mit seinen Modellen geschlossen oder ihnen noch deutlicher partnerschaftliche Positionen zugewiesen hätte wie seiner Gefährtin Erna Schilling in so manchem Doppelportrait.

Da das Städel dem Maler bereits seit 1925 verpflichtet ist, überrascht diese erste große Retrospektive seit 30 Jahren kaum - doch die Direktheit mit der die Ausstellungskonzeption beinahe unangenehm nah an diese ambivalente Künstlerpersönlichkeit heranführte schon. Zahlreiche, sehr privat anmutende Zitate Kirchners im Eingangsbereich, die Briefe und Tagebücher zitieren, kennzeichnen auch den Tonfall des Künstlers als weniger charmant eher hart und bisweilen bitter, das ist schon gar nicht sexy. So bleibt auch eine mögliche Anziehungskraft seiner Person für den Ausstellungsgänger verborgen.

Ernst Ludwig Kirchner – Retrospektive noch bis zum 25. Juli 2010 in Frankfurt am Main, Städel Museum

Sonntag, 6. Juni 2010

Dienstag, 1. Juni 2010

Sophia: Im Wohnzimmer von Herrn Schwermut


Robin Proper-Sheppard, besser bekannt als Kopf der Band SOPHIA, ist gerade solo unterwegs. "At home with Sophia" heißt seine Tour. Und sein Zuhause ist die Tour. Nicht nur, weil er vor seiner Konzertreise sein Londoner Apartment räumen musste. Er lädt zu sich ein, zu einem Besuch in der Proper-Sheppard Gefühlswelt, einem Rundgang durch die düsteren, verwogenen Gänge seiner Gedanken. Ein Holzstuhl, eine Wandtapete, ein altes Mikrofon, eine Gitarre - mehr braucht er nicht auf der Bühne um die Lieder aus seinem Leben zu singen und zu erzählen. Denn das ist, was Robin Proper-Sheppard macht an diesem Abend. Er erzählt die Geschichten zu seinen Songs, die an Melancholie und Sanftmut, an Traurigkeit und Schmerz kaum zu übertreffen sind. Er erzählt vom Verlust seines Freundes, von seiner verstorbenen Mutter, die den Kampf gegen den Krebs verlor, von der Sehnsucht nach dem Tod und dem Leid der Zurückbleibenden. Robin Proper-Sheppard öffnet auf dieser Tour nicht nur das Tor zu seinem Bühnenwohnzimmer, sondern auch zu seiner Seele. Ein Konzertabend, der traurig und wunderschön zugleich ist.

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