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Freitag, 11. Juni 2010

Frau Schneider ist tot – kurzes Gedenken an Andreas Kunze

Andreas Kunze – Fotograf, Kabarettist und Schauspieler - verstarb am 8.6.2010. Schuld war das Herz. Eben jenes Herz, mit dem er sich vor allem mutig den (filmischen) Raum neben dem magnetischen Multitalent Helge Schneider erkämpft hatte. Seit dessen Debüt in JOHNNY FLASH ergänzten sich die Ruhrpott-Künstler: Helge Schneider, der Macher, der Musiker, der fiese Sonderling oder die verbissene Spürnase. Andreas Kunze nicht bloß als Sidekick, sondern als emanzipierter Gegenpart, u.a. mit Auftritten als Johnnys Mutter (JOHNNY FLASH), Docs Mutter (TEXAS – DOC SNYDER HÄLT DIE WELT IN ATEM), Frau Schneider (00 SCHNEIDER – JAGD AUF NIHIL BAXTER), Tante Uschi (PRAXIS DR. HASENBEIN) und Theodor (JAZZCLUB – DER FRÜHE VOGEL FÄNGT DEN WURM).

Problemlos konnte Kunze im Mehrfachbesetzungsreigen der Schneiderfilme mit dem tausendgesichtigen Chamäleon Schritt halten und das am eindrücklichsten in seinen Frauenrollen. Ewiges Nörgeln, Spaßbremsentum und niemals modisch gewesenes Outfit - Was als Demütigung missverstanden werden könnte, füllte der Darsteller trotz Klamauk und Überzogenheit mit eigentümlicher Würde. Groteske Poesie liegt in Szenen wie dem beschwingten Aufhängen der Wäsche, dem leichten Lustwandeln durch den eigenen Garten oder der Gymnastiksession an der Stange in 00 SCHNEIDER. Trotz der Ehequerellen ist Frau Schneider patent, mit Ordnungssinn und Gastgeberqualitäten. Ihr Atombusen, der den blauen Rolli ausbeult, und die langen Beine unter dem violetten Faltenrock verraten noch etwas vom vergangenen, jugendlichen Charme.

Kunzes Leibesfülle verlieh seinem Körper Präsenz, ohne jedoch aufdringlich zu werden, seine Beweglichkeit gab den Rollen Flexibilität. Gerade ohne Drag-Maskerade, Makeup und Hüftschwung im Onkel-Charlies-Tante-Style überzeugte der Mime, lies keinen Moment daran zweifeln, dass er hier einen Frauenpart ausfüllt – besser als es im queren Schneider-Kosmos eine Darstellerin je gekonnt hätte. Trotzig und unverwüstlich.

Herzlichen Dank und eine ehrlich gemeinte Verbeugung, Herr Kunze, für das Vertrauen in die absurden Qualitäten der Spießer-Tristesse und die außergewöhnlichsten Grand Dames im nordrheinwestfälischen Autorenkino.